„Ich kann die Bahn der Himmelskörper auf Zentimeter und Sekunden genau berechnen, aber nicht, wohin die verrückte Menge einen Börsenkurs treiben kann”, beklagte der Mathematiker und Physiker Isaac Newton um 1720 das Platzen der Südseeblase, nachdem er eine größere Geldsumme verspekuliert hatte. Es sollte noch zwei Jahrhunderte dauern, bis mit einem ersten systematischen Ansatz der Versuch unternommen wurde, Ordnung in das Chaos zu bringen.
Anfang der 1960er Jahre wurde zunächst die Aktienkursentwicklung im Marktmodell nach Sharpe[1] durch das eingegangene systematische Marktrisiko und das unsystematische Risiko des Einzelwertes erklärt. Dabei wird das Marktrisiko als Faktor bezeichnet, da Faktoren als systematische Risikoquelle mittel- bis langfristig eine Risikoprämie erwarten lassen. In den folgenden Jahrzehnten kamen zum „Marktrisiko“ als universellem und einzigem Faktor weitere Faktoren hinzu. Fama und French identifizierten in ihrem 3 Faktor Modell[2] „Value“ und „Size“, und später in dem 5 Faktor Modell[3] „Momentum“ und „Quality“ als zusätzlich bestimmende Faktoren für die Aktienrendite. Wir konzentrieren uns nun im Weiteren auf den Bereich Value.
Die ökonomische Idee hinter dem Faktor Value gründet darauf, auf unterbewertete Unternehmen zu setzen, die im Idealfall zu Unrecht von den Investoren abgestraft wurden und daher zukünftig eine überdurchschnittliche Rendite erwarten lassen. Klassische Value-Kennzahlen wie KGV, KCV, KBV[4] und Dividendenrendite geben an, wieviel man für den Ertrag oder die Substanz eines Unternehmens bezahlen muss. Der Dividendenrendite wird unter diesen Kennzahlen eine besondere Bedeutung beigemessen. Sie steht im Mittelpunkt der Standardmodelle zur Aktienbewertung[5]. In der einschlägigen Literatur gelten Unternehmen mit stetigen Dividenden sowie guten Aussichten auf Dividendensteigerungen als erfolgreich[6] [7]. Infolgedessen hat sich die Dividendenrendite im Laufe der Zeit als eigener Faktor etabliert.
Solche Perspektiven der Dividendenentwicklung kommen Finanzinvestoren wie Banken, Versicherungen und Stiftungen entgegen. Diese sind aufgrund regelmäßiger Verbindlichkeiten auf einen planbaren, ordentlichen Ertrag angewiesen. Während der außerordentliche Ertrag sich aus Kursgewinnen am Kapitalmarkt speist und damit Spekulationen ausgesetzt ist, wird die Dividende auf Basis der erwirtschafteten Gewinne vom Unternehmen festgelegt und ist entsprechend besser abschätzbar.
Auch Investoren, die lediglich auf eine gute Wertentwicklung abzielen, ziehen indirekt einen Nutzen aus der Dividende als einen der Indikatoren für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Unternehmens. Denn eine hohe Dividende stellt ein vertrauenserweckendes, plakatives, starkes Signal dar. Dem gegenüber stehen Wachstumsversprechen, die oftmals Enttäuschungspotenzial in sich bergen. Speziell im intransparenten Umfeld der weniger entwickelten Kapitalmärkte der Schwellenländer ist der vertrauensbildende Effekt der Dividende umso wichtiger.
[1] William F. Sharpe: Capital asset prices: A theory of market equilibrium under conditions of risk, In: Journal of Finance, Band 19, 1964, S. 425–444
[2] Eugene F. Fama, Kenneth R. French: The Cross-Section of Expected Stock Returns. In: Journal of Finance. Band 47, Nr. 2, 1992, S. 427–465
[3] Eugene F. Fama, Kenneth R. French: A five-factor asset pricing model. In: Journal of Financial Economics. Band 116, Nr. 1, 1. April 2015, ISSN 0304-405X, S. 1–22
[4] KGV: Kurs-Gewinn-Verhältnis, KCV: Kurs-Cashflow-Verhältnis, KBV: Kurs-Buchwert-Verhältnis
[5] M.J. Gordon. (1962) ”The Investment, Financing, and Valuation of the Corporation.” Homewood, IL: R. D. Irwin
[6] Graham, B., Dodd, D. L. F., & Cottle, S. (1934). Security analysis (Vol. 452). New York: McGraw-Hill.
[7] Peter, Lynch. “Beating The Street.” (1994)