Trotz oder vielleicht auch gerade wegen des starken Wirtschafts- und Marktumfelds waren die Investment-Erfahrungen von chancen- und sicherheitsorientierten Anlegern im letzten Jahr sehr unterschiedlich (vgl. Tabelle 1). Das Jahr 2021 lieferte für Aktionäre eines der besten – und für Renten-Anleger gleichzeitig eines der schwächsten Anlageergebnisse in den letzten 20 Jahren. Für europäische Renten war es sogar das schlechteste Jahr seit der Einführung des Euros im Jahr 1998.
Multi Asset Portfolios Gut gerüstet für einen möglichen Regimewechsel an den Kapitalmärkten

Tab. 1: Gesamtergebnis von Aktien-, Anleihen- und Mischfonds in Euro. Quelle: Bloomberg, eigene Berechnungen.
Ein Grund für das schwache Abschneiden der Rentenmärkte war neben den niedrigen Anfangsrenditen eine sich nun abzeichnende Zinswende, welche von steigenden Inflationserwartungen angetrieben wurde. Die von Zentralbanken lang herbeigesehnte Inflation materialisierte sich in den letzten Monaten unerwartet kräftig – mit 7 Prozent Preissteigerung in den USA respektive 5 Prozent im Euro-Raum über die letzten 12 Monate. Dies erfordert ein Umdenken bei Währungshütern und Investoren. Signalisiert die steigende Inflation einen Regimewechsel? Was bedeuten steigende Zinsen für hohe Marktbewertungen? Und wie sollen Anleger sich im aktuellen Marktumfeld positionieren?
Signalisiert die steigende Inflation einen Regimewechsel?
Nach einer langen Niedrigzins – und Niedriginflationsphase zeichnet sich zunehmend eine Normalisierung dieses Umfelds ab. Dabei wird die Inflation vermutlich eines der wichtigsten Marktthemen bleiben. In vielen Lebensbereichen ist dies bereits direkt spürbar: bei Baukosten, Kapitalgütern, Öl- und Strompreisen und Lebensmitteln sowie möglicherweise nach und nach auch bei Lohnkosten.
Während die kurzfristigen Inflationssorgen von Marktteilnehmern aktuell eher überzogen wirken und sich wieder normalisieren sollten, erscheinen die längerfristigen Inflationserwartungen zu niedrig und unterbewertet. Wir sehen das Risiko, dass die von der Pandemie ausgelösten Preisdynamiken verstärkt werden, wie beispielswiese durch die gesellschaftlichen Wandlungsprozesse in der Dekarbonisierung[1], Deglobalisierung und Demografie. Werfen wir einen näheren Blick auf die stark gestiegenen Energiekosten: Die Pandemieeffekte haben die strukturell zu niedrigen Investitionen in bestehende Energiekapazitäten verschärft. Gleichzeitig erfordert die Dekarbonisierung hohe Investitionen in erneuerbare Produktions- und Netzwerk-Kapazitäten. Beides wirkt nachhaltig preistreibend. Eine Rückkehr auf Energiepreise wie vor der Pandemie erscheint mittelfristig als eher unwahrscheinlich.
Ein Regimewechsel zeichnet sich ab: Mit zunehmender Wahrscheinlichkeit werden die beschriebenen Effekte einen steigenden Einfluss auf die Inflation haben mit der Konsequenz, dass sich die Inflationsrate im Euro-Raum für eine längere Zeit auch oberhalb der 2 Prozentmarke bewegen könnte. Gleichzeitig ist in diesem Umfeld auch von einer weiteren Normalisierung der Marktzinsen auszugehen. Zum Jahresende erwarten wir die Rendite deutscher Staatsanleihen bei 0,3 Prozent und langfristig zwischen 2 und 3 Prozent.
[1] Verminderung kohlenstoffhaltiger Emissionen besonders durch die Abkehr von fossilen Energieträgern.
Was bedeuten steigende Zinsen für hohe Marktbewertungen?
Mechanisch betrachtet wirken sich steigende Zinsen zunächst negativ auf Aktienpreise aus, da sie als Teil der Diskontierungsrate in Unternehmensbewertungen einfließen und zu einem niedrigen Barwert der zukünftigen Geldflüsse führen. Auffällig zu beobachten war daher im Vorjahr der stark steigende Aktienmarkt bei gleichzeitig steigenden Zinsen. Eine Erklärung für die geringe Sensitivität lässt sich dadurch herleiten, dass der nominale Zinsanstieg durch ebenso steigende Inflationserwartungen ausgeglichen wurde. Im Endeffekt blieben die für Bewertungen wichtigen realen Renditen in den USA unverändert oder fielen sogar im Euro-Raum auf neue Tiefststände.
Dieser deutlich kräftiger als erwartet ausgefallene Inflationsanstieg hat zu einem Umdenken bei Zentralbanken und Investoren geführt und speziell in den USA die Erwartung eines starken Anstieges der Leitzinsen begünstigt. Hiervon beeinflusst zeichnet sich seit Jahresbeginn nun auch eine mögliche reale Zinswende ab (vgl. Abbildung 1). Eine Fortsetzung dieses Trends erscheint als wahrscheinlich. So erwarten wir mittelfristig, dass die Zinsen stärker als die Inflationserwartungen zunehmen.

Abb. 1: Akkumulative Veränderung von 10-jährigen Staatsanleihen-Renditen in USA und Euro-Raum. Quelle: Bloomberg, eigene Berechnungen.
Welche Auswirkungen hat dies auf die Marktbewertungen? Steigende reale Zinsen beschränken Kursgewinn-Phantasien. Zudem scheint der Finanzmarkt heute für steigende reale Renditen anfälliger zu sein als die Wirtschaft selbst. Mit den aktuell noch sehr niedrigen Zinsen und gleichzeitig hohen Aktienbewertungen besteht das Risiko, dass bei einem weiteren Zins- oder Inflationsschock Aktien und Anleihen gleichzeitig an Wert verlieren und zu negativen Gesamtrenditen für Multi-Asset Investoren führen.
Auch wenn der Konjunkturausblick aktuell noch positiv erscheint, sehen wir über die Zinsthematik hinaus ein Risiko für ein spätzyklisches Marktverhalten. Dieses geht nicht selten mit mehr Arglosigkeit, höherem Leverage und höherer Risikobereitschaft einher. Indizien können unter anderem die bereits genannten hohen Marktbewertungen, steigende Aktienrückkäufe (maßgeblich in den USA) und nicht zuletzt die Rekordsummen sein, welche Unternehmen im Vorjahr zur Finanzierung von Übernahmen und Investitionen am Markt eingeworben haben (Abbildung 2). Aus einer Allokationsperspektive erscheint es relevant, dass aus historischer Sicht Credit-Spreads in spätzyklischen Phasen dazu neigen, sich auszuweiten, während Aktien häufig noch mit steigenden Erträgen an einem späten Wachstumsaufschwung und höherer Inflation partizipieren können.

Abb. 2: Firmen haben im Vorjahr am Finanzmärkten 12 Billionen USD eingesammelt. Quelle: FT
Wie sollten sich Anleger im aktuellen Marktumfeld positionieren?
Aufgrund unserer grundsätzlich positiven Konjunktur- und Liquiditätseinschätzung sind wir aktuell in unseren Multi-Asset Portfolios moderat chancenorientiert ausgerichtet. Dabei bevorzugen wir Aktien, die häufig noch mit steigenden Erträgen an einem späten Aufschwung und einer höheren Inflation partizipieren können. Trotz des positiven Ausblicks haben wir auch die hohen Bewertungen, ein mögliches spätzyklisches Marktverhalten sowie die sich verengende Geldpolitik im Blick. Zur Minimierung der Liquiditäts- und Drawdown-Risiken bevorzugen wir eine defensive Allokation von Credit Assetklassen, bei denen das Chance-/ Risikoprofil zunehmend unausgeglichen wirkt.
Im Rentenbereich sind wir untergewichtet. Niedrige Anfangsrenditen und steigende Zinserwartungen bedeuten dieses Jahr möglicherweise wieder ein negatives Gesamtergebnis. Bei der Portfoliokonstruktion ist zudem zu beachten, dass Anleihen heute aufgrund der sehr niedrigen Zinsen – nahe der effektiven Untergrenze konventioneller Geldpolitik – ein geringeres Pufferpotenzial bieten als noch in vorangegangen Krisenphasen.
Eine mögliche weitere Chance sehen wir in der Allokation inflationsindexierter Anleihen im Portfolio. Der gesellschaftliche Wandel mit der Dekarbonisierung, Deglobalisierung und Demografie übt mit steigender Wahrscheinlichkeit einen zunehmenden Einfluss auf die Inflation aus. Diese längerfristige Inflationsdynamik scheint derzeit am Markt jedoch noch unterbewertet zu sein. Eine weitere Handlungsoption zu diesem Themenkomplex könnte eine Aktien-Allokation von Energieversorgern und Produzenten als quasi-Absicherung gegen weiter steigende Energiekosten bieten. Wie beschrieben, wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit durch den Pandemieschock die strukturellen Effekte der Energiewende deutlich beschleunigt, was in Konsequenz die Kapazitätsengpässe und den längerfristigen Energiepreisdruck wiederum verschärft hat. Bei der Umsetzung einer solchen Strategie ist die Einzeltitelselektion wichtig, um Nachhaltigkeitsaspekte ausreichend zu berücksichtigen.
Fazit
Ein sich offenbar abzeichnender Regimewandel im letzten Jahr fungierte als Triebkraft für die unterschiedlichen Investmentbewegungen: weg von einem deflationären Niedrigzinsumfeld und hin zu einer inflationären Umgebung mit sich normalisierenden Zinsen. Mit zunehmender Wahrscheinlichkeit wird sich dieser Prozess in den nächsten Jahren fortsetzen.
Sehr niedrige Zinsen und hohe Aktienbewertungen lassen eine mittelfristige Fortsetzung der vergangenen starken Ertragsjahre zunehmend unwahrscheinlicher werden. Mittelfristig sollten sich Anleger daher auf moderatere Ertragserwartungen einstellen. In einem Umfeld mit potenziell niedrigeren Erträgen wächst die Bedeutung einer internationalen Ausrichtung. Eine globale Diversifikation über verschiedene Assetklassen kann Anlegern in diesem Marktumfeld langfristig attraktivere Ertragschancen ermöglichen. Auch wenn post-Pandemie Erfahrungen nicht zur Verfügung stehen, lässt sich aus unserer Sicht mit einer klaren Abwägung von Chancen und Risiken ein robustes Multi Asset-Portfolio konstruieren.
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