Die weltweite Ausbreitung des Coronavirus hat die Weltwirtschaft ausgebremst und wird die europäischen Volkswirtschaften in eine Rezession führen, die auch auf dem Immobilienmarkt zu spüren sein wird. Die Einschätzung der aktuellen Situation ist daher mit einer hohen Unsicherheit behaftet, welche die Ableitung von Prognosen für die Entwicklung der Immobilienmärkte erschwert. Die im Folgenden dargestellten Einschätzungen können sich somit bei Vorliegen neuer Informationen zeitnah verändern.
Potenzielle Auswirkungen der Corona-KriseAusblick auf die europäischen Immobilienmärkte
Investmentmärkte
Die hohe Unsicherheit, die Reisebeschränkungen sowie die Absage von wichtigen Branchenveranstaltungen werden auf dem Immobilienmarkt kurzfristig zu einem Einbruch des Transaktionsvolumens führen. In Asien sanken die Transaktionsvolumina nach Auswertungen von Real Capital Analytics in den ersten 11 Wochen des Jahres um über 50% im Vergleich zum Vorjahr. Im Gegensatz dazu waren in Europa und Nordamerika bislang keine negativen Effekte zu beobachten, da das Transaktionsgeschehen bis Mitte März nahezu ungestört weiterlief. Im zweiten Quartal ist jedoch mit einem deutlichen Rückgang zu rechnen. Während Core-Investments in sehr guten Standorten in Phasen mit höherer Unsicherheit verstärkt in den Fokus der Investoren rücken, könnten riskantere Strategien (Value Add/Opportunistic) sowie weniger liquide Märkte (z. B. Südeuropa) an Bedeutung verlieren. Insbesondere in Märkten mit einer hohen Abhängigkeit von internationalen Kapitalströmen ist mit einem deutlichen Rückgang der Liquidität zu rechnen. Die Auswirkungen auf die Preisentwicklung sind derzeit kaum einzuschätzen, da Vergleichstransaktionen bislang nicht vorliegen. Zahlreiche internationale Bewertungsunternehmen haben bereits angekündigt, ihre Bewertungen mit einem Hinweis auf die hohe Unsicherheit im aktuellen Marktumfeld zu versehen. Es ist damit zu rechnen, dass im Laufe des zweiten Quartals erste Vergleichstransaktionen vorliegen, die sich jedoch erst mit einer zeitlichen Verzögerung in den Bewertungen von Bestandsinvestments zeigen werden.
Auswirkungen auf die Nutzungsarten
Aufgrund der zu erwartenden Rezession sowie der in weiten Teilen Europas ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie sind auch negative Folgen für die Immobilienmärkte zu erwarten, wobei sich zwischen den Sektoren teils deutliche Unterschiede zeigen werden. Insbesondere der Einzelhandels- und Hotelsektor ist von der Krise unmittelbar negativ betroffen, da die angeordneten Schließungen zu Umsatzeinbrüchen führen. Zahlreiche Einzelhändler haben bereits angekündigt, ihre Mieten für den Zeitraum der Ladenschließungen nicht zu bezahlen und haben ihre Vermieter über Stundung oder gänzliche Aussetzung der Mietzahlungen informiert. Dies wird die laufenden Erträge von Einzelhandelsinvestments bereits sehr kurzfristig reduzieren. Mittel- bis langfristig ist von einer Verschärfung des strukturellen Wandels im Einzelhandel auszugehen, so dass nach der Krise nicht mit starken Aufholeffekten zu rechnen ist. Vielmehr ist zu erwarten, dass Einzelhandels- und Gastronomieunternehmen in Folge der Krise ihr Geschäft aufgeben müssen und somit steigende Leerstände zu beobachten sein werden. Die Polarisierung zwischen sehr guten und weniger guten Einzelhandelsstandorte wird sich in der Folge weiter verschärfen. Eine Ausnahme im Einzelhandelssektor stellt der Lebensmitteleinzelhandel dar, der in der aktuellen Situation sehr hohe Umsätze verzeichnen kann und auch im Ausblick aufgrund der Bedienung des Grundbedarfs vergleichsweise stabil aufgestellt ist. Eine starke Rezession würde sich aber auch hier in sinkenden Gesamtausgaben sowie einer stärkeren Preisorientierung der Konsumenten zeigen.
Da touristische Übernachtungen in nahezu allen europäischen Ländern derzeit untersagt sind und die Reisetätigkeit weltweit weitgehend zum Erliegen gekommen ist, verzeichnet auch der Hotelsektor einen Nachfrageeinbruch. In den meisten Standorten sind die Auslastungsquoten inzwischen unter 10% gesunken. Viele Hotels haben ihren Betrieb vorübergehend eingestellt und angekündigt, die Pacht für den Zeitraum der Schließung nicht zu zahlen. In Märkten mit einem hohen Hotelangebot in Folge der hohen Bautätigkeit der letzten Jahre ist mit einer Konsolidierung zu rechnen. Die weitere Entwicklung wird vor allem von der Dauer der Reiserestriktionen bestimmt. Märkte mit einer hohen inländischen Nachfrage (z. B. Deutschland) sollten sich schneller erholen als Märkte mit einem hohen Anteil von internationalen Gästen. Der langfristige Ausblick für die Assetklasse bleibt mit Blick auf die im Trend weltweit steigenden Touristenzahlen positiv.
Der Bürosektor ist im Vergleich zum Einzelhandels- und Hotelsektor weniger direkt betroffen, jedoch sind auch hier negative Entwicklungen nicht auszuschließen. Die Flächennachfrage auf den Büromärkten wird in Folge der Krise kurzfristig einbrechen, da die hohe Unsicherheit die Expansionspläne von Unternehmen bremsen wird. Aufgrund wirtschaftlicher Probleme von Mietern durch sinkende Auftragsvolumen ist auch mit Mietausfällen zu rechnen, die sich mit Dauer der Krise verstärken würden. Insbesondere das junge Marktsegment der Co-Working-Anbieter kann vor größere Herausforderungen gestellt werden. Die meisten Büromärkte weisen aktuell historisch niedrige Leerstandsniveaus auf, jedoch erreicht die Bautätigkeit in den Jahren 2020 und 2021 den Höhepunkt im aktuellen Zyklus. Es ist daher zu erwarten, dass die Mieten zumindest kurzfristig leicht korrigieren bzw. stagnieren und somit die bisherigen Wachstumsannahmen nicht erreicht werden. Langfristig könnte sich die Adaption neuer Technologien im Büroalltag beschleunigen und eine stärkere Nutzung von Remote-Arbeit zu einem sinkenden Flächenbedarf führen.
Eine hohe Nachfrage verzeichnet derzeit der Logistikmarkt, da insbesondere der Lebensmitteleinzelhandel und der E-Commerce kurzfristig neue Flächen benötigen. Diese Anmietungen erfolgen in der Regel jedoch für kurze Zeiträume und werden nur einen begrenzten positiven Effekt haben. Die in der aktuellen Krise zu Tage getretenen Schwächen internationaler Supply Chains können mittel- bis langfristig zu einer höheren Lagerhaltung oder steigenden Produktionskapazitäten im Inland führen und somit einer höheren Flächenbedarf zur Folge haben. Auf der Gegenseite werden auch Mieter aus dem Industrie- und Logistiksegment durch die aktuellen Entwicklungen unter Druck geraten, sodass Mietausfälle und Leerstände nicht auszuschließen sind.
Die geringsten Auswirkungen werden nach derzeitigem Informationsstand für den Wohnungsmarkt erwartet, da die Nachfrage nach Wohnraum stabil bleiben wird. Insbesondere im hochpreisigen Mietmarkt kann es jedoch bei einer länger anhaltenden wirtschaftlichen Korrektur zu rückläufigen Mietpreisen kommen. Im Bestand ist mit steigenden Mietausfällen bzw. -stundungen sowie geringeren Mietsteigerungen zu rechnen, die insbesondere kleine, private Vermieter vor Herausforderungen stellen werden. Projektentwickler von Eigentumswohnung könnten durch Verzögerungen bei der Fertigstellung und im Vertrieb oder durch veränderte Preiseinschätzungen der Käufer unter Druck geraten.
Fazit
Die Folgen der Corona-Krise werden auch auf den Immobilienmärkten zu spüren sein, wobei kurzfristig insbesondere Mietausfälle im Einzelhandels- und Hotelsektor zu erwarten sind. Bei einer länger anhaltenden wirtschaftlichen Korrekturphase sind jedoch auch in zunehmendem Maße negative Entwicklungen in den weiteren Nutzungsarten zu erwarten. Aufgrund der skizzierten Entwicklungen ist vor allem mit einer Korrektur der Mieteinahmen und somit der Ausschüttungsrenditen im Jahr 2020 zu rechnen. Das Bewertungsniveau auf dem deutschen Immobilienmarkt hat sich in der letzten Korrekturphase als vergleichsweise robust erwiesen. So verzeichneten die Bewertungen von Gewerbeimmobilien zwischen 2008 und 2013 einen Rückgang um rund 8%, während die Transaktionspreise (RCA Commercial Property Price Index) um rund 25% korrigierten. Im Zuge der zu erwarteten wirtschaftlichen Erholung wird auch die Flächennachfrage auf den Immobilienmärkten wieder anziehen, sodass der langfristige Ausblick mit Ausnahme des non-food Einzelhandels für die Assetklasse weiterhin positiv bleibt. Mögliche Preiskorrekturen können in zuletzt sehr hoch bewerteten Immobilienmärkten daher auch attraktive Einstiegsmöglichkeiten bieten.