In der 250-jährigen Geschichte des deutschen Pfandbriefs haben sich dessen Konstruktionsprinzipien als derart überzeugend erwiesen, dass sich international vielgestaltige Ableger herausgebildet haben, welche sich abhängig von der Beschaffenheit des Rechtsrahmens teilweise stark unterscheiden. Nun wurde nach einem langen rechtlichen Harmonisierungspfad ein Gesetzespaket zur EU-weiten Standardisierung verabschiedet. Es besteht aus einer gemeinsamen Definition, einer Richtlinie und einer Verordnung. Sie institutionalisieren alle Kernmerkmale der Assetklasse (v. a. Anforderungen an das Deckungsvermögen, Übersicherungserfordernisse, Abtrennung und Verwaltung der Deckungsstöcke und das damit verbundene doppelte Rückgriffrecht) sowie die Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Aufsichtsbehörden. Die Richtlinie regelt insbesondere den Anlegerschutz beim Covered Bond-Produkt, ohne dabei den bestehenden, gut funktionierenden Markt zu schädigen. Darüber hinaus können die EU-Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie in nationale Rahmenbedingungen für gedeckte Schuldverschreibungen länderspezifische Merkmale berücksichtigen.
Mindeststandards und verbesserter AnlegerschutzHarmonisierung des Covered Bond-Marktes in der EU
Die Richtlinie wurde im Dezember 2019 ratifiziert und ist im Januar 2020 in Kraft getreten. Zunächst läuft eine 18-monatige Umsetzungsfrist, nach der die Emittenten zwölf Monate Zeit haben, um die neuen Rechtsvorschriften einzuhalten. Insgesamt sollte das neue Gesetzespaket Mitte 2022 fast vollständig wirksam sein. Einzelne Abschnitte der Richtlinie treten allerdings erst ab 2024 in Kraft. Bestehende Covered Bonds, die sowohl die OGAW-Richtlinie1 als auch die Credit Risk Regulation (CRR) erfüllen, werden weiterhin bestandschützend behandelt.
Die Richtlinie legt fest, welche Vermögenswerte in Deckungsstöcken zugelassen werden. Hierzu gehören insbesondere traditionelle, hochwertige Assets wie öffentliche Kredite, Wohn- und Gewerbehypotheken. Maßgeblich ist ein ermittelbarer und durchsetzbarer Marktwert. Nur unter Auflagen, wie z. B. bei übereinstimmenden Schutzniveaus („Protection Level“), können vergleichbare Vermögenswerte aus dem EU-Ausland in den Deckungsstock aufgenommen werden. Mitgliedsstaaten müssen hier sicherstellen, dass die Deckungsvermögen bezüglich Laufzeit und Risikoprofil ausreichend homogen sind. Dabei sind Emittenten für die Due Diligence der Anleger verpflichtet, vierteljährlich Informationen über die Deckungsvermögen, z. B. hinsichtlich Fälligkeitsstrukturen oder Marktrisiken, vorzulegen.
Abb. 1: Strukturdaten europäischer Rentenmärkte, Quelle: Bloomberg, iBoxx, Stand 15.06.2020,
Peripherie/Semi-Core/Core: Marktkapitalisierungsgewichtete Berechnungslogik,
Darüber hinaus wurden neue Anforderungen an die Deckung selbst und deren Liquidität ausgearbeitet. Der Gesamtnennbetrag aller Assets im Deckungsstock muss mindestens den gleichen Wert haben wie der Gesamtnennbetrag der ausstehenden gedeckten Schuldverschreibungen. Der im Rahmen der Harmonisierung geänderte CRR-Artikel 129 sieht weiterhin vor, dass auf der Grundlage einer nominalen Berechnung ein Mindestmaß an Überbesicherung von 5% erforderlich ist. Die EU-Mitgliedstaaten dürfen dieses Niveau unter bestimmten Bedingungen auf mindestens 2% senken.
In der Zwischenzeit wurde in der CRR auch das erforderliche Mindestmaß an Übersicherung festgelegt. Insgesamt halten sich die Behörden an die Beleihungsauslaufgrenze2 von 80% für Wohnhypotheken, 60% für gewerbliche Hypotheken und 70% für Schiffsdarlehen.
Ein positiver Effekt auf die Liquidität von Covered Bonds wird auch von der durch die Richtlinie gegebenen Möglichkeit einer gemeinsamen Finanzierung erhofft. Sie soll die Kosten für die Einrichtung von Covered Bond-Programmen für kleinere Kreditinstitute senken und es ihnen ermöglichen, gedeckte Schuldverschreibungen in angemessener Größe auszugeben.
Insgesamt ist das Emissionsvolumen von Covered Bonds mit verlängerbarer Laufzeit (sog. Soft Bullets) höher als das jener mit fester Laufzeit (sog. Hard Bullets). Die Richtlinie betont, dass die Verlängerungsauslöser objektiv und klar im nationalen Recht definiert werden sollten und dabei außerhalb des Ermessens des Emittenten liegen. So könnte im Falle des Eintretens der definierten Voraussetzungen die zuständige Aufsichtsbehörde oder im Default-Case der Insolvenzverwalter eine Laufzeitverlängerung veranlassen.
Überhaupt wird im Vergleich zur bisherigen Lage die öffentliche Aufsicht über Schuldverschreibungen gestärkt. Emittenten müssen ihr Covered Bond-Programm vor einer Genehmigung registrieren. Darüber hinaus wird die Rolle der Aufsichtsbehörden, Meldepflichten ihnen gegenüber sowie die Befugnisse bei Nichteinhaltung oder Zahlungsunfähigkeit erstmals klar definiert.
Es ist wahrscheinlich, dass alle EU-Mitgliedstaaten ihre Rahmenbedingungen für gedeckte Schuldverschreibungen anpassen müssen, um sie vollständig an die neue Richtlinie und Verordnung anzugleichen. Einige Länder haben bereits die Aktualisierung ihrer nationalen Rahmenbedingungen ausgesetzt und auf die Einzelheiten des Gesetzespakets gewartet (u. a. Frankreich und Spanien). Grundsätzlich werden keine größeren Probleme bei der Umsetzung der neuen Richtlinie in den verschiedenen Ländern erwartet. Das Paket lässt jedoch Raum für landesspezifisches Ermessen.
Die Aussicht, dass gedeckte Schuldverschreibungen aus Drittländern möglicherweise eine ähnliche regulatorische Behandlung erhalten, könnte die weitere Entwicklung von gedeckten Schuldverschreibungen außerhalb der EU unterstützen.
Sowohl der European Covered Bond Council als auch die Ratingagenturen sehen in der Harmonisierung eine weitere Stärkung der Qualität von Covered Bonds. Zusätzlich ebnet es der Assetklasse den Weg in neue Covered Bond-Märkte innerhalb der EU als auch als globale legislative Benchmark für Länder wie Australien, Brasilien, Kanada, Japan und Singapur. Die Direktive setzt Mindeststandards für die Produktklasse, ohne nationalen Unterschieden gänzlich den Raum zu nehmen. Wir erwarten, dass der Markt positiv darauf reagieren wird, insbesondere auf den verbesserten Anlegerschutz. Eine mögliche Folge könnte eine erhöhte Neu- und Inauguralemissionstätigkeit innerhalb der EU sein. Zudem könnte das Framework als Grundlage für neue Covered Bond-Jurisdiktionen außerhalb der EU dienen.
1) Die OGAW-Richtlinie (Richtlinie 85/611/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW)) definiert die speziellen Anforderungen an Fonds und ihre Verwaltungsgesellschaften.
2) Beleihungsauslauf oder Loan-to-Value (LTV) beschreibt das Verhältnis des Kreditbetrags zum Verkehrswert einer Immobilie und wird zur Bonitätsprüfung genutzt.