veröffentlicht in der Börsen-Zeitung, 15.05.2021
Das Coronavirus hat unser Leben binnen kürzester Zeit von Grund auf verändert. So war auch das Kapitalmarktjahr 2020 von vielen Veränderungen geprägt: Zinsen bewegten sich abermals auf tiefen Niveaus und Volatilitäten – nicht nur der Aktien – schnellten auf neue Höchststände. Auf den schnellsten Drawdown folgte ohne Verschnaufpause die schnellste Recovery aller Zeiten, und zum Jahresende markierten viele Aktienmärkte neue Allzeithochs. Im Frühjahr 2020, als der Schreck bei vielen Investoren tief saß, waren Anleger mit risikogesteuerten Portfolios einigermaßen beruhigt, als das Overlay seine Wirkung als Schutzhülle für das Portfolio entfaltete. Im weiteren Jahresverlauf wurden Overlay-Strategien häufiger sehr pauschal kritisiert, aufgrund ihrer Prozyklik nur eine begrenzte Wiedereinstiegsdynamik zu bieten. Richtig parametriert ist ein Risiko-Overlay aber der Schlüssel zu einem optimalen Rendite-Risiko-Profil und der Erreichung ambitionierter Ertragsziele.
Das Framework der Helaba InvestDie verschiedenen Facetten der Risikosteuerung
Ziel des Risiko-Overlay-Managements ist es, eine optimale Verbindung zwischen strategischer Asset-Allokation und Risikotoleranz herzustellen. Overlay Management ist also kein Massenprodukt, sondern stets so individuell wie die Bedürfnisse der verschiedenen Anlegergruppen. Nicht erst seit 2020 ist klar, dass ein modernes Risikomanagement mehr leisten muss als die Verteidigung eines Risikobudgets. Echtes Risiko-Overlay bietet aktive Wertsicherung unter Berücksichtigung aktueller Marktrisiken und die Simulation möglicher extremer Marktverläufe. Overlay-Management darf also kein monolithischer Ansatz sein, sondern ist immer als ein Bündel verschiedener, aufeinander abgestimmter Strategien und Maßnahmen zu verstehen. Mit dem HI-Risiko-Overlay-Framework bietet die Helaba Invest ein modulares Overlay-Konzept an, das den Anforderungen an eine effektive Risikosteuerung und Flexibilität gleichermaßen gerecht wird. Einzelne Elemente des Frameworks können dabei miteinander kombiniert und zu einer individuell auf den Anleger abgestimmten Sicherungsstrategie zusammengeführt werden
Investitionsgradsteuerung
Basis für die meisten Overlay-Mandate bildet in der Regel die Investitionsgradsteuerung. Anleger definieren auf Sicht eines Kalender- oder Geschäftsjahres eine Wertuntergrenze oder ein Risikobudget, an dem sich die Risikosteuerung ausrichtet. Im Falle ansteigender Marktrisiken oder abschmelzender Risikobudgets wird das Marktrisiko des Portfolios durch eine Absicherung sukzessive abgesichert. Mit einsetzender Markterholung kann bei ausreichendem Risikobudget der Wiedereinstieg erfolgen. Zu den Strategien der Investitionsgradsteuerung zählen neben einer festen und weichen Wertuntergrenze auch Drawdown-Control-Strategien, die darauf abzielen, den Wertverlust seit einem Höchststand zu dämpfen. Für die Investitionsgradsteuerung steht dem Overlay-Manager ein breites Instrumentarium börsengehandelter Futures und besicherter Kreditderivate zur Verfügung, die eine kostengünstige und effektive Risikosteuerung proportional über das gesamte liquide Portfolio hinweg ermöglichen. Der besondere Charme der proportionalen Risikosteuerung liegt insbesondere darin, dass die Struktur der strategischen Asset-Allokation (SAA) mit ihren vielfältigen Diversifikationsvorteilen auch im Absicherungsfall audrechterhalten bleibt. Voraussetzung hierfür ist eine saubere Risikobudgetierung. Denn nur wenn SAA, Risikobudget und Sicherungsstrategie im Einklang stehen, beschränkt sich das Risikomanagement auf wenige, aber wirkungsvolle Eingriffe durch das Overlay. So kann das Portfolio seine Performance- und Diversifikationsvorteile über weite Strecken unrestringiert ausspielen.Wird die Investitionsgradsteuerung isoliert eingesetzt, droht Anlegern im schlimmsten Fall das Cash-Lock-Szenario – das vollständige Gefangensein in der Vollsicherung während einer starken Markterholung. Das Overlay Framework bietet verschiedene Möglichkeiten, der Cash-Lock-Problematik wirksam zu begegnen. Das einfachste Mittel ist die Implementierung einer Wertsicherungsstrategie mit weicher Wertuntergrenze oder systematischer Wiedereinstiegsstrategien. Vereinfacht gesprochen erlauben diese Strategien eine temporäre Unterschreitung der Wertuntergrenze oder ermöglichen einen systematischen Wiedereinstieg durch eine regelbasierte Freigabe von neuem Risikobudget.
Ausstoppen verhindern
Zentraler Ausgangspunkt für die Wahl der passenden Absicherungsstrategie ist auch hier wieder die SAA. Enthält diese eingeschränkt oder nicht sicherbare Assetklassen, ist eine weiche Wertuntergrenze vorgegeben. Beispiele hierfür sind im liquiden Bereich Credit-Risiken,wie sie unter anderem in Unternehmensanleihen oder Schwellenländeranleihen vorkommen, sowie Immobilen und Infrastruktur-Investments im illiquiden Bereich.Oft ist es sinnvoll, die Wertsicherungsstrategie mit Mindestinvestitionsquoten zu kombinieren und damit ein Ausstoppen wirksam zu verhindern.
Tail-Hedge-Strategien
Um das Risiko eines Cash Locks weiter zu reduzieren, können flankierend Tail-Hedge-Strategien eingesetzt werden. In extremen Marktphasen liefern diese Strategien eine positive Performance und wirken abschmelzenden Risikobudgets des Overlays entgegen. Im einfachen Fall können sparsam parametrisierte Crash-Put-Strategien einen Schutz gegen extreme Marktverläufe bieten. Um langfristig einen positiven Mehrwert zu erwirtschaften, sollten die teilweise hohen Absicherungskosten allerdings mit dynamischen Ansätzen auf ein Minimum reduziert werden.Insgesamt sollte die Tail-Hedge-Komponente verschiedenste Extremszenarien berücksichtigen und in sich entsprechend ausdiversifiziert sein. Hierzu eignen sich komplexere Ansätze, die über Swaps eingekauft werden. Analog zur klassischen Managerselektion ist hierfür ein stringenter Due-Diligence-Prozess bei der Auswahl der richtigen Strategie unerlässlich. Kriterien wie Konsistenz, Verständlichkeit sowie Durchschnittskosten sind dabei im Portfolio-Kontext zu bewerten.
Asymmetrische Strategien
Abschließend lässt sich das Risikomanagement noch mittels asymmetrischer Optionsstrategien erweitern. Diese Strategien verstetigen die Wertentwicklung des Gesamtportfolios oder eigenen sich, um opportunistisch auf bestimmte Kapitalmarktphasen reagieren zu können. So kann das Marktexposure durch antizyklische Komponenten in sehr positiven Marktphasen reduziert werden. Mit Blick auf mögliche zukünftige Marktverwerfungen wird das Risikobudget nicht mehr dem vollen Marktrisiko ausgesetzt. Umgekehrt erlauben antizyklische Strategien auch noch bei einem niedrigen Risikobudget eine antizyklische Erhöhung des Investitionsgrades und damit eine verbesserte Wiedereinstiegsdynamik in der Recovery-Phase. Da diese Strategiekomponenten über Optionen umgesetzt werden, ist der maximale Prämieneinsatz ex ante exakt definiert und kann bei der Budgetierung der Risikosteuerung genau berücksichtigt werden. Grundsätzlich lassen sich asymmetrische Strategien aber auch ohne den Einsatz von Optionen umsetzen. Im einfachen Fall können sie beispielsweise durch das sukzessive Nachziehen der Wertuntergrenze zur Sicherung eines positiven Jahresergebnisses umgesetzt werden. Die immanente Prozyklik der Investitionsgradsteuerung wird hierdurch auf ein adäquates Maß reduziert.
Ertragsstärkere Allokation
Trotz aller Dynamik bleibt im Jahr 2021 ein Fakt unverändert: Investoren müssen immer höhere Risiken ins Portfolio nehmen, um ihre Renditeziele zu erreichen. Ein Risiko-Overlay ist hier der Schlüssel, die bisherige Asset-Allokation ertragsstärker auszurichten und die Risiken der strategischen Asset-Allokation zugunsten höherer Ertragsziele effektiv zu steuern. So lassen sich ambitionierte Anlageziele und enge Risikobudgets im veränderlichen Marktumfeld in Einklang bringen. Ein systematisches Risikomanagement war für den nachhaltigen Anlageerfolg also noch nie so wichtig wie heute
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